Yamaha YZF R1 2015 - Fahrbericht

Das 1 mal 1 eines Supersportlers – die Yamaha YZF-R1 2015
Text: Rainer Friedmann 'Kraftrad'  /  Bilder: Rainer Friedmann 'Kraftrad', Buenos Dias, Yamaha
Das 1 mal 1 eines Supersportlers – die Yamaha YZF-R1 2015
Das erste mal ist immer was ganz Besonderes! Nun fahr ich schon seit 22 Jahren Sportbikes, hab zahlreiche Kumpels die eine R1 hatten und noch immer ihr Eigen nennen, aber selber gefahren, geschweigeden auf einer Rennstrecke artgerecht bewegt, hab ich noch nie eine.
Im Rahmen der Yamaha R1-Trackdays bekam ich endlich die Chance, eine Ikone der Superbikeszene zu testen. Yamaha Deutschland präsentierte im Rahmen einer Dunn-Racing Veranstaltung neben der brandneuen R1 auch die R125, R3, R6 und R1M – also die komplette R-Reihe 2015. Eingerahmt wurde das Ganze durch einen tollen Stand der R1-Community und des R1-Clubs, dessen Vorsitzender Peter gleich mit seiner voll ausgestatteten R1M am Start war.
Direkt an der Pit Lane standen unsere Geräte für diesen Tag in Reih und Glied – blaue und rote R1`sen mit silbernen bzw. weißen Elementen. Schon der erste Anblick fesselt einem die Augen und lässt ein nicht mehr von ihr abkommen. Sie ist anders, weicht vom Einheitslook ab und setzt Reizpunkte. Es gibt an diesem Bike so viel zu entdecken, so viele Details zu erforschen – spannend!  
Die Yamaha R-Reihe 2015
Die Yamaha R-Reihe 2015
Yamaha verspricht 200PS bei 13.500 U/Min und 112,4 Nm bei bereits 11.500 U/Min, was gepaart mit einem Gewicht von fahrfertigen 199 Kg, also 1 Kg pro PS, mal eine klare Ansage ist. Verbaut wurde alles extrem kompakt und zentral zwischen den 1.405 mm auseinanderstehenden Magnesium-Gussräder – ein Bike für den Racetrack. Die 5.148 m lange Grand Prix Strecke des Nürburgrings sollte mir auf jeden Fall viel Gelegenheiten geben, die MotoGP-Gene der R1 zu erfahren.  
Weitere Bilder zum Yamaha R1 Test Fahrvideo der Yamaha R1
Wie schwer wird es für die Superbikes im großen Schatten der Yamaha YZF R1 2015 werden?
Wie schwer wird es für die Superbikes im großen Schatten der Yamaha YZF R1 2015 werden?
Die Ersten Runden
Bedingungen waren top, Sonne satt, blauer Himmel, beste Temperaturen, also schnell mal hinter einem Instruktor von Dunn-Racing die Strecke und das Bike kennenlernen. Erster Eindruck beim Aufsitzen war schon mal sehr gut. Lenkerergonomie und Einstellmöglichkeiten der Hebelei sind absolut perfekt, die Sitzposition mit 855mm recht hoch und die Rasten einem Racebike entsprechend sehr sportlich, was bei meiner Größe dann doch gut bewegliche Knie voraussetzt – aber es passte. Knieschluss am Tank wie für meine Beine entwickelt, gab schon mal ein sehr sicheres und direktes Gefühl. Die Soundkulisse beim rausrollen und auf den erste Runden war noch etwas zurückhaltend, was aber mit stärkerer und vor allem heftigeren Drehung des Gasgriffs sich ganz schnell ändern sollte. So lief der erste Turn schon mal richtig gut und ich fühlte mich top aufgehoben auf der R1.  
Hoch, kompakt und kompromisslos - ein Racebike
Hoch, kompakt und kompromisslos - ein Racebike
MotoGP im Serienbike - die R1 hat einiges davon
Kurze Pause, Zeit sich mit den unzähligen Einstellmodis und der Elektronik auseinanderzusetzten, denn heut zu Tage sind Motorräder dieser Klasse, mit Leistungswerten die vor 15 Jahren nicht einmal die MotoGP hatte, ohne das tadellose Zusammenspiel von Sensoren, Messwerten und Eingriffen einer Zentraleinheit undenkbar. Wer in der Superbikeszene oben mitspielen möchte, der muss alles beherrschen und dem Fahrer jeglichen Freiheitsgrad zur persönlichen Programmierung geben. Und das tut die neue R1, wobei ein Tag klicken und testen hier bei weitem nicht ausreicht.  
Alles wichtige fest im Blick - das perfekt ablesbare TFT
Alles wichtige fest im Blick - das perfekt ablesbare TFT
Die Selektionstasten am linken Stummel
Die Selektionstasten am linken Stummel
Das Menü-Rad am rechten Stummel
Das Menü-Rad am rechten Stummel
Mit dem iPad alles auf einen Blick - per CCU der R1M
Mit dem iPad alles auf einen Blick - per CCU der R1M
So besitzt die R1 eine eigenentwickelte Sensoreinheit bestehend aus Drehratensensoren  für Neigung, Rollbewegung und Bewegungen in der Gierachse sowie Beschleunigungen in alle Richtungen. Alle Parameter werden 125mal pro Sekunde abgegriffen und verarbeitet. Diese Datenflut nutzt das Steuergerät um die Bremskraft optimal zu verteilen, die Einspritzmengen zu regeln sowie den Zündzeitpunkt und den Öffnungswinkel der Drosselklappen optimal zu steuern. Unterm Strich stellt sich so immer ein extrem stabiler Fahrzustand ein und ermöglicht einem unter anderem die Nutzung der Slide Control (SCS), also das kontrollierte Übersteuern des Hinterrades beim Herausbeschleunigen – echte MotoGP Technik! Selbstredend werden diese Daten auch für die 9-fach einstellbare Traktionskontrolle (TCS), Lift Control System (LIF) sowie Launch Control (LCS) und den Schaltautomaten (QSS) – allerdings nur nach oben – verwendet. Des Weiteren lässt sich die Steuerung der Drosselklappen und somit das Ansprechverhalten auch in 4 unterschiedlichen Stufen regeln.  
Dargestellt werden alle Werte auf dem wunderschönen TFT-Display, welches sich im Race-Modus auf die wesentlichen Informationen beschränkt und so sehr übersichtlich erscheint. Gesteuert wird die ganze Geschichte über zwei Tasten am Lenker. Wer richtig fit ist, der stellt alle Parameter für sich zusammen und speichert diese in 4 unterschiedlichen Grundsettings, die allerdings nur im Stand gewechselt werden können. R1M Besitzer haben des Weiteren noch eine Schnittstelle – die Communication Control Unit (CCU), womit sie alle Werte und Einstellungen bequem per PC, Tablet oder Smartphone tätigen und speichern können (kann auch bei der R1 nachgerüstet werden). Während der Fahrt können dann allerdings nur noch die Motormodis, Tranktionskontolle sowie Slide-Control am linken Lenker stufenweise verstellt werden.  
Ohne Elektronik ist ein Superbike inzwischen undenkbar
Elektronik ohne Ende, aber funktioniert die wirklich? Also Helm auf, Handschuhe an, schnell etwas dehnen, damit die Beine ihre richtige Position auf dem straffen Sitzpolster finden. Boxenausgang, 2.Gang, Vollgas, wooooh, tiefes Fauchen, der Vorderbau hebt sich schnell, bleibt oben, nicht zu weit, cool. Stopp, langsam, die 190er Pirelli Supercorsa SP sind nach 40 Minuten Stand sicher nicht warm, also die ersten Kurven etwas verhaltener ans Werk – Elektronik ist das eine, Physik das andere! lange Links, tief rein, die R1 liegt toll, wieder ganz kurz Gas, links, schnell auf rechts umlegen, klappt wunderbar. Vollgas Zweiter, 3.Gang, das Vorderrad wird leicht, die TCS regelt sanft. Gas weg, links kurz anbremsen, früh ans Gas und gleich mal außenrum einen überholen. Rechts rein und wieder ran ans Gas bis hoch in den 4.Gang – an die Gasannahme muss ich mich aber noch gewöhnen, setzt schon recht hart ein, was soll´s. Rechts außen anbremsen, wieder tief rein, der Stiefel schleift, Gas! Wooooh, das war doch die Slide-Control oder warum hab ich das Gefühl quer zu kommen?! Bergauf links, rechts, hartes anbremsen, da war ich glaub etwas spät! Weite Linie links und gleich wieder rechts runter mit Vollgas bis fast ende 5.Gang. Schikane, runterschalten, durch, kurz Gas und wieder rechts auf die Startziel. So ging es nun noch 15 Minuten lang – Geil, da kommt Lorenzo-Feeling auf!  
Optimaler Vortrieb dank feinster Elektronik
Optimaler Vortrieb dank feinster Elektronik
Liegt 1A und fährt genau dort hin wo man will
Liegt 1A und fährt genau dort hin wo man will
Race Blu und Raceing Red - Schnörkellos wie das Bike
Race Blu und Raceing Red - Schnörkellos wie das Bike
Zwischendurch stand mir eine S1000RR im Weg, die auf der Geraden mal gar kein Problem darstellte. So einfach kam ich an der BMW glaub auch noch nie vorbei. Die R1 hat mächtig Druck und das in allen Lagen. Das vernichten dieser Energie gerade Ende Start-Ziel oder zwischen der Schumacher- und Bilstein-Kurve war allerdings nicht immer ganz so präziser möglich. Die Stopper funktionieren zwar ordentlich, könnten für mein Empfinden aber deutlich bissiger und aggressiver sein. Lässt sich bestimmt mit ein paar anderen Bremsklötzen einfach optimieren.  
Ein faszinierender Reihenvierer
Aber was treibt die R1 so nachhaltig nach vorne, dass die Stopper derart viel zu tun bekommen? Ein absolut technisches Highlight – eine kurzhubige Crossplane-Maschine bei der die Hubzapfen jeweils um 90 Grad versetzt sind, sodass die Schmiedelkolben nie parallel arbeiten wie bei anderen Reihenvierern. Dadurch erreicht Yamaha einen gleichförmigeren Drehmomentverlauf und nebenbei einen markanten dumpfen Sound. In Kombination mit einer deutlich geringeren Schwungmasse, Titan-Pleuel mit gecracktem Pleulefuß und deutlich drehzahlfestere Schlepphebel sind dies wichtige Eckpunkte für einen drehfreudigen und Leistungsstarken Motor.  
Das Crossplane Agregat mit 90 Grad Hubzapfenversatz
Das Crossplane Agregat mit 90 Grad Hubzapfenversatz
Diese Drehfreude merkt man der R1 deutlich an, denn bei bereits 6.000 U/Min schiebt die sie mächtig und unaufhaltsam an, was erst jenseits von 12.000 Touren endet. Das Ganze geschieht dabei extrem gleichförmig und jederzeit beherrschbar – ok, man muss sich besonders im Power-Modus 1 an die hart einsetzende Leistung gewöhnen, aber hat man dies, dann geht alles super dosierbar und direkt von statten. Bis in den roten Bereich muss sie allerdings nicht wirklich gejagt werden, denn hier ober wird´s dann doch etwas zäher.  
1 PS pro 1 Kg Gewicht - 600er Feeling und 200 PS
Der Testtag war nun schon etwas fortgeschritten, die Einstellungen verstanden und getätigt, also ging´s nun drum alles voll zu nutzen, früher ans Gas zu gehen, noch mehr die Helferlein zum Arbeiten zu bringen, einfach in einen richtigen Flow zu kommen. Und der kam auch verdammt schnell. Runde um Runde ging´s (gefühlt) immer schneller und spektakulärer voran. Leichtfüßig wie eine 600er schlängelte sich die 200PS R1 durch die Schikane vor Start-Ziel. Anbremsen, schnell links, umlegen auf rechts, Gas anlegen, spielerisch und punktgenau. Die Pirelli Supercorsa SP (auf jedem Superbike eine top Wahl) setzten alle Befehl tadellos um und das Fahrwerk tat genau das was man von einem Supersportfahrwerk erwartet. Bei dieser zügigen Gangart, durfte auch der Lenkungsdämpfer hin und wieder beruhigend eingreifen, wenn die Vorderhand beim Rausbeschleunigen über Bodenwellen doch leicht zu tänzeln begann – aber dafür ist er ja da. Tolle Runden!  
600er Feeling und 200 PS
600er Feeling und 200 PS
Entschleunigung mit 42 PS - von wegen, auch damit geht was
Zwischendurch kam ich auf eine ganz verrückte Idee: Da standen doch zwei R3s in der Box, die hin und wieder im Umland bewegt wurden. Ich könnte doch mal in der langsamen Gruppe mit ihr auf den Track. Also, Aaron von Yamaha Deutschland kurz von dieser verrückten Idee überzeugt, rüber zum Bike, da kam auch schon jemand von Dunn und wollte mir eine Warnweste geben, da ca.170 Km/h Spitze nicht gerade flott ist auf einer Rennstrecke, die lehnte ich mit Verweis auf meine eh schon leuchtende Kombie dankend ab, und raus auf die Strecke. Uiii, das entschleunigt aber mal richtig, da sieht man Dinge auf der Strecke, da wird die Zielgerade lang, sehr lang. Aber sobald es kurvig wurde, konnte man mit der 169 Kg leichten und 42 PS starken R3 richtig gut mithalten und sogar aufschließen. Klasse Handling, vielleicht etwas früh aufsetzende Fußrasten, eine Bremse die bei meinem Gewicht ordentlich zu tun hatte – aber geht, geht sogar richtig gut!
Natürlich wird´s ab 130Km/h zäh und das 321 ccm Große Aggregat müht sich rehtlich ab, aber für einen Einsteiger, der für wenig Geld seine ersten Sportfahrer-Gene fördern möchte, ist dies mal ein richtig schmuckes Bike.
Mit der Yamaha R3 wurde die Zielgerade zwar recht lang, aber im restlichen Teil bekamen einige Fahrer Besuch von ihr
Mit der Yamaha R3 wurde die Zielgerade zwar recht lang, aber im restlichen Teil bekamen einige Fahrer Besuch von ihr
Die Superbike-Formel kann so einfach sein
Der Letzte Turn musste leider wegen eines Wolkenbruchs gestrichen werden. War extrem schade, denn ich hätte die R1 so gerne nochmals um den Kurs gejagt und insbesondere die Slide-Control genossen – Gänsehaut.  
Wir harmonierten von Beginn an
Wir harmonierten von Beginn an
Dieser Fahrtag wird nicht nur wegen meinem „Ersten mal“ hängen bleiben. Nein, vielmehr faszinierte mich an der Yamaha YZF-R1 die Agilität und Dynamik einer 200PS Maschine. Sie ist extrem leicht, kompakt und auf Race ausgerichtet, dabei aber von Beginn an kinderleicht zu beherrschen. Hat man sich mit den Einstellmöglichkeiten vertraut gemacht, dann bringt sie den erfahrenen Racer bereits im Serientrimm verdammt weit nach vorne. Tja, und das Ganze gibt es inzwischen um 18.000 Euro. Ich würde hier mal sagen: „Das Rennen wie in den guten 2004er Jahren um die Superbike-Krone ist wieder eröffnet – Danke Yamaha!“  
Yamaha YZF-R1 2015 - Das 1 mal 1 eines Supersportlers
Danke an die BikerSzene für die ich diesen Test fahren durfte.