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Mit Detailarbeiten zur Höchstleistung |
„Am Sonntag ist 1.Advent“. Mit etwa diesen Worten standen wir
– deutsche Pressevertreter und ich - in Portimão auf dem Autódromo
Internacional do Algarve und staunten über perfekte spätsommerliche
Bedingungen um die neue CBR1000RR Fireblade beim weltweit ersten
Rollout testen zu können. Die ersten Maschinen zum 20-jährigen
Jubiläum einer Legende, in Reih und Glied aufgebockt mit passenden
Reifenwärmern, warteten darauf auf dem knapp 4,6 Km langen Achtermahnkurs
ihre Optimierungen unter Beweis stellen zu können. Angeführt wurde
unsere Gruppe von keinem geringeren als dem IDM-Meister Karl Muggeridge. |
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Im Vorfeld wurde bereits in diversen Foren viel über die 2012er Fireblade
diskutiert, erwartete man doch zum Jubiläum eine ganz neue, mit Elektronik
vollgepackte Maschine, die ihre Konkurrenten das Fürchten lehren sollte.
Anfang September tauchten dann die ersten Bilder bei einem Hondahändler
in Hongkong auf die praktisch nur auf ein Facelift hindeuteten. Zum Superbike
WM-Lauf in Imola Mitte September, wurden dann erste technische Daten bekannt
die auf eine konsequente und zielgerichtete Optimierung hinwiesen. |
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So hat die 2012er nun ein komplett neues Fahrwerk, welches sich aus
hochwertigen 43mm Showa Big Piston Gabeln und einer, im Serienbetrieb erstmalig
eingesetzte, Balance Free Rear Cushion ausgestatteten Unit Pro-Link Schwinge
zusammengesetzt. Hiermit möchte man ein feineres Ansprechen der Federelemente
und somit einen besseren Kontakt zur Fahrbahn erreichen sowie dem Fahrer
mehr Einstellmöglichkeiten bieten. Abgerundet wird die Fahrwerksoptimierung
durch aufwendig gestaltete 12-Speichen Alugussräder, die mehr Steifigkeit
bieten und somit das Handling der Fireblade weiter unterstützen. |
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Das neue Federbein Früher noch teures
Zubehörtuning, heute Serie |
Gleichmäßiger und feieinfühliger Übergang
vom Druck- in die Zugstufe |
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Der bereits gut abgestimmte aber in manchen Bereichen doch Lastwechselanfällige
Motor, wurde durch ein neues Treibstoffeinspritzsystem weiter verbessert.
Das aus dem Rennsport stammende PGM-DSFI (Programmed Dual Sequential Fuel
Injection-System) wurde dahingehend optimiert, die Treibstoffversorgung
noch präziser zu steuern und insbesondere bei geringer Drosselklappenöffnung
das Ansprechverhalten zu präzisieren. Um die Spitzenleistung zu verbessern,
wurde des Weiteren an der Aerodynamik gearbeitet. So wird die Hitze nun
deutlich besser abgeführt als früher, sodass der Motorlauf bei Höchstleistung
und insbesondere bei warmen Außentemperaturen kühler ist als noch bei Vorgängermodel
(20 Grad weniger entsprechen gut 10 PS). |
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Optisch hat man ihr wieder mehr Ecken und Kanten verpasst und
sich somit wieder mehr an SC57-Zeiten zurückerinnert. Dadurch entstand
ein deutlich dynamischeres und aggressiveres Erscheinungsbild.
Aufgewertet wurde alles durch ein komplett neues Cockpit, welches
neben einer Ganganzeige keine Wünsche mehr offen lässt. Vergeblich
suchte man jedoch auf den Datenblättern die – in dieser Klasse inzwischen
übliche – Tranktionskontrolle sowie einen Schaltautomaten. Aber
braucht man diese Spielereien wirklich? Lasst es uns testen! |
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Kurzes Briefing durch Karl und ab auf Bike Nummer 2. Zwei Mechaniker
rannten um die in der Sonne glänzende Fireblade, nahmen die Reifenwärmer
runter und entfernen beide Ständer – irgendwie kam ich mir vor wie bei der
Superbike WM, wenn Jonathan Rea sein Bike zum starten bekommt. |
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Motor an, 1.Gang rein und los geht´s zur Aufstellung hinter Karl. Die
ersten Runden sollten zum kennenlernen und anfahren der neuen Bridgestone
S20 hinter Karl gefahren werden. Direkt hinter ihm liegen, winkte er mich
nach nicht einmal zwei Runde durch und so hatte ich die Strecke praktisch
für mich allein. |
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Was mir sofort auffiel war das Honda typische „Draufsitzwohlfühlgefühl“.
Die Sitzergonomie hat sich praktisch nicht geändert, sodass ich mich gleich
wieder am richtigen Platz fühlte – selbst mit meinen 1,93m. Ich kannte zwar
die Strecke vom letzten Jahr, musste aber trotzdem noch die ein oder andere
Ecke neu lernen, sodass zu Beginn einige Haken in der Linienwahl drin waren. |
Gut aber um gleich mal die Gasannahme in den unterschiedlichsten Gängen
zu testen. Egal in welchen Gang oder Drehzahlbereichen man die Drosselklappen
öffnete - sei es digitale oder sanfter - stellte ich keinerlei Lastwechselstörungen
oder sonstige nervige Bewegungen ein. Die Gasannahme war butterweich und
über das gesamte Drehzahlband gleichmäßig stark vorhanden. Der Durchzug
fand also ohne das bei der Vorgänger Fireblade oft bemängelte „Leistungsloch“
um 5.000U/Min statt. Jeder Schaltvorgang war präzise und ohne unnötigen
Kraftaufwand. So konnte man sich also voll auf die Strecke konzentrieren
und Runde um Runde abspulen. |
Ende Start-Ziel durfte dann das inzwischen optimal abgestimmte C-ABS
seine Qualitäten unter Beweis stellen. Je nachdem wie man durch die Schlüsselstelle
- der schnellen Doppelrechts bergab auf Start-Ziel – kam, musste man aus
über 280Km/h auf welligem Untergrund und dazu noch bergab auf 130Km/h runterbremsen.
Also Kupplung ziehen, 3 Gänge runterschalten und gleichzeitig den Bremshebel
voll betätigen. Kein stempelndes Hinterrad oder irgendwelche Zuckungen im
Bremshebel beeinflussten den Ankervorgang. Das Hinterrad verlor nie den
Bodenkontakt und die Gabel hatte Raum sich den Wellen anzunehmen umso zielgenau
in die Nächste Recht zu kommen. |
Schnell war der erste Turn rum und es ging raus in die Box. Die S20
mit 50ziger Querschnitt verrichteten ihre Arbeit recht gut, wobei trotz
strahlendem Sonnenschein der Belag noch nicht die optimale Temperatur hatte
und so auch die Bridgestones noch nicht ganz glücklich waren. |
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Mit wieder gut vorgeheizten Reifen ging´s raus zum 2.Turn. Es war nochmals
wärmer geworden, ich hatte mich bereits etwas auf den S20 eingestellt und
die Strecke war mir deutlich geläufiger - also konnte ich es etwas
mehr fliegen lassen. |
Gerade mal 3 Runden gedreht, letzte lange Rechts vor der Start-Ziel-Kurve,
3.Gang mit knapp 115km/h, nicht allzu stark ans Gas und wenige Bruchteile
später dachte ich „ups, das war knapp!“. Nun kannte ich den Grenzbereich
des Bridgestone S20 etwas besser – wobei Grenzbereich?! Den hat er wohl
kaum, denn ein böser Quersteher brachte mein Blut kurzzeitig ordentlich
in Wallung. Sicher hätte hier eine Traktionskontrolle den Grenzbereich des
Reifens erkannt, es sollte aber das einzige mal an diesem Tag sein. Karl
sagte uns noch, dass die Strecke erst Mittags richtig fit wäre und der Serienreifen
hier doch hin und wieder mit Vorsicht zu genießen wäre. |
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Lenker praktisch komplett am Anschlag |
30 Meter drift von Karl perfekt festgehalten |
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Eines zeigte mir der Rutscher aber auch auf. Die Dossierung der Leistung
ist feinfühlig und absolut genau über den „normalen“ Gasgriff (Drive by
Wire gibt´s ja nur in der Superbike-Fireblade) möglich. |
Natürlich kann ich nicht von einem „bewussten“ Drift sprechen und es
gehörte auch Glück dazu nicht die neue Fireblade zu zerstören, doch eben
diese hat hier meinen Fehler ausgebügelt und mich wieder sicher auf den
richtigen Weg zurückgebracht – „Total Control“ eben. |
Gut, der Puls normalisierte sich wieder und so ging´s flott auf Start-Ziel.
Direkt nach dem mini Bergaufstück auf Höhe der Boxeneinfahrt war eine kleine
Asphaltflickstelle, auf deren Höhe ich irgendwie immer schalten musste was
bei einem voll geöffneten Gasgriff unweigerlich zu Lenkerbewegungen führte.
Die waren jedoch praktisch zu ignorieren, denn der elektronische Lenkungsdämpfer
beruhigte unspektakulär jegliche Bewegung.
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Nun war kurz Mittagspause angesagt in der die Mechaniker die Fahrwerke
neu einstellten und alle Fireblades auf Bridgestone R10 mit 55ziger Querschnitt
umrüsteten. 55ziger – war da nicht was?! |
Ja, als diese Dimension immer weiter aufkam, gab es für die ABS Fireblade
kurzzeitig Freigaben von Reifenherstellern für den etwas stärkeren Querschnitt.
Jedoch wurden diese schnell wieder zurückgezogen, da man durch den etwas
größeren Abrollumfang eine Störung im ABS vermutete – was bis heute nicht
abschließend nachgewiesen werden konnte. Nun statteten also die Hondajungs
unsere Blades damit aus. Auf Nachfragen bei den Ingenieuren, konnte ich
zwar keine abschließende Aussage bekommen oder kam mit dem Japanischenglisch
nicht ganz klar. Fakt ist aber, dass es für die 2012 wohl kein Zubehörsteuergerät
mehr gibt und wir den ganzen Nachmittag mit diesen Reifen ans Gas gingen. |
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Also, selbes Spiel wie am Vormittag, Reifenwärmer runter, Bike runterlasse,
Motor an und los geht’s auf eine gut 25 Grad warme Strecke. |
Gleich in der ersten Kurve wurde deutlich, dass der Serienreifen S20
doch recht schwerfällig war. Die Fireblade lies sich jetzt sowas von sanft
einlenken – was für ein Gefühl – WOW. So ging es also Runde um Runde immer
besser zur Sache. War es doch am Vormittag schon ein super Fahrgefühl, so
legte die Fireblade in Kombination mit dem 55ziger R10 noch eines oben drauf.
Mit spielerischer Leichtigkeit, absoluter Zielgenauigkeit, grandiosem Gefühl
für´s Vorderrad und ohne Stress, ging es um den Kurs. |
Zeit sich der komplett neu gestalteten Anzeigeeinheit sowie Schaltblitz
zu widmen. War ich doch anfangs recht enttäuscht als klar war, dass es keine
„traditionellen“ Drehzahlmesser mehr geben wird und hatte ich Bedenken wegen
der Ablesemöglichkeiten insbesondere bei direkter Sonneneinstrahlung. Wenn
man aber mal damit unterwegs ist, dann schaut sie richtig gut aus, ist super
ablesbar und intuitiv bedienbar. Besonders gefallen hat mir der neue Schaltblitz
welcher einem nun wirklich ins Auge fällt. |
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Fazit: Es muss nicht immer ein komplett neues Motorrad
sein um einen Schritt weiter zu kommen! Honda hat eine gute Blade konsequent
und an den richtigen Stellen weiterentwickelt und so ein Bike geschaffen,
welches sich ohne körperliche Anstrengungen verdammt schnell und sicher
bewegen lässt – mit dem man einfach dauerhaft Spaß am Motorradfahren hat,
sei es auf der Rennstrecke oder bei einer Alpentour. |
Sicher verlangt der Markt derzeit eine Traktionskontrolle in dieser
Klasse und man kann endlos drüber streiten über Nutzen und Sinnhaftigkeit.
Ich für meinen Teil habe sie nicht vermisst – vielleicht auch, weil die
Kontrolle über den Gasgriff so optimal und direkt möglich ist. |
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Hinweis: Alle Aufnahmen wurden auf abgesperten
Straßen und mit Genehmigung der ortsansässigen Polizei durchgeführt. Bilder
von Honda, Buenos Dias und Rainer Friedmann. |